AK Bildung: Besuch der Willy-Brandt-Gesamtschule
Am Donnerstag, den 26. 4. besuchte unser AK Bildung die Willy-Brandt-Gesamtschule in Feldmoching-Hasenbergl.
Schon am 20. März hatte uns die Direktorin Cornelia Folger als Referentin im Rahmen einer AK-Veranstaltung über das Konzept der Gesamtschulen und dessen konkrete Umsetzung an ihrer Schule informiert. Die Willy-Brandt-Gesamtschule wurde 1970 in München gegründet und ist eine von nur zwei Gesamtschulen in ganz Bayern. Da die Veranstaltung auf reges Interesse stieß, lud Frau Folger uns netterweise ein, den Alltag an ihrer Schule selbst mitzuerleben. So hatten interessierte Mitglieder am Donnerstag, den 26. April die Möglichkeit, sich nocheinmal vor Ort mit dem Thema Gesamtschule zu befassen und in den Unterricht hinein zu „schnuppern“.
Nachdem wir um 9.30 Uhr in der Schule ankamen, verschaffte uns die Direktorin zunächst durch eine kleine Führung einen groben Überblick über das riesige Schulhaus. Besonders begeistert waren wir von den Kletterwänden und den von den Schüler*innen selbst gestalteten Graffitis an den Wänden. Danach stellte uns die Direktorin bei Kaffee und Kuchen nocheinmal das Konzept vor, nachdem in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 die drei herkömmlichen Schullaufbahnen Hauptschule, Realschule und Gymnasium vereinigt sind und dabei die Klassen 5 bis 7 der Orientierung dienen. Danach erfolgt eine immer stärkere Einteilung nach den jeweiligen Leistungen. Diese erfolgt von der 6. bis zur 8. Jahrgangsstufe durch die Einteilung in A-, B- und C-Kurse in den Hauptfächern, die sich im Niveau und dem Ausmaß der Unterstützung durch die Lehrkraft unterscheiden. Die Schüler*innen müssen sich erst in der 8. Klasse für eine spezielle Schullaufbahn entscheiden und werden dann wie durch die gängige Dreigliedrigkeit separiert unterrichtet. Diese durch das Kultusministerium vorgegebene Konzeption bemängelte die Direktorin und berichtete uns auch über andere Probleme und Grenzen der Strukturen. Für die knapp 2000 Schüler*innen und deren individuelle Förderung, die nach dem Leitbild der Schule sehr stark auf die einzelne Person abgestimmt geschehen soll, ist der Betreuungsaufwand enorm hoch. Zwar ist das Aufgebot der 85 Lehrer*innen und 18 Sozialpädagog*innen im bayernweiten Vergleich an dieser Schule beinahe einmalig und vorbildhaft, allerdings ist nach Angaben der Direktorin der Bedarf an Betreuungspersonal noch nicht abgedeckt. Um den Kindern und deren Förderung dennoch gerecht zu werden, setzt das Kollegium an dieser Schule sehr stark auf Kommunikation untereinander und mit den Eltern, um sich über Probleme und Bedürfnisse der Schüler*innen auszutauschen, zu beraten und gegenseitig zu unterstützen. Wie uns Frau Folger erklärte, findet die Arbeit der Pädagog*innen also vorwiegend außerhalb des Unterrichts statt.
Während des Unterrichts arbeiten die Kinder, je nach Alter, vorwiegend selbstständig nach Wochenplänen und teilen sich die Zeit eigenständig ein. Die Lehrkraft dient eher als Lernhilfe und greift ein, wenn das jeweilige Kind Unterstützung braucht.
Diese Vorgehensweise konnten wir dann bei unseren Unterrichtsbesuchen in der 5. und 6. Klasse erleben:
Die Kinder arbeiteten viel in Gruppen und unterstützten sich gegenseitig. Im Englischunterricht der 5. Klasse stand eine Schulaufgabe bevor, weswegen die Lehrerin phasenweise auch, ähnlich wie beim herkömmlichen Frontalunterricht, vorne die Aufgaben erklärte und die Klasse Übungen zusammen löste. Auffallend war dabei aber, dass die Lehrerin ganz ohne Druck und kaum autoritär Fragen stellte und, dass falsche Antworten nicht bestraft wurden. Konsequenz einer falschen Antwort war lediglich, dass das Kind jemand aus der Klasse um Hilfe bitten konnte. Somit waren ausnahmslos alle Kinder sehr aktiv in den Unterricht eingebunden und währenddessen sehr viel Kommunikation und Interaktion zwischen den Schüler*innen stattfand. Dies könnte mitunter Grund dafür sein, dass sich kaum Gespräche neben dem Unterricht entwickelten und die Schüler*innen sehr konzentriert und motiviert arbeiteten. Nach der kurzen, konzentrierten Phase folgte dann eine eigenverantwortliche Lernphase. Dabei durften sich die Schüler*innen ein bis zwei Aufgaben aussuchen, die sie noch üben wollten. Wir dienten dabei als Lernpartner*innen, die die Kinder jederzeit um Hilfe bitten konnten. Aber sie wurden auch von der Lehrerin eingeladen, sich untereinander zu helfen. Zudem durften sie sich aussuchen, wo sie lernen wollten. So nahmen einige in der Sitzecke Platz, andere nahmen sich ein Kissen und setzten sich damit auf den Boden und ein paar blieben an ihrem Pult, um zu arbeiten. Auch hier zeigte sich wieder eine auffalend gute, konzentrierte Lernatmosphäre.
Auch im Deutschunterricht der 6. Klassen war die gute Zusammenarbeit zwischen den Kindern auffallend. Die Schüler*innen waren gerade dabei ihre Wochenpläne zu vervollständigen und arbeiteten hierfür eigenständig in Gruppen. Aufgabe des Lehrers war es hier vor allem, das passende Lernklima herzustellen und gegebenenfalls Fragen zu beantworten.
Insgesamt nahmen wir als Besucher*innen diese Unterrichtsgestaltung als sehr positiv wahr. Auffallend waren für uns vor allem die gute Klassengemeinschaft, das konzentrierte Arbeiten und die entspannte Lernatmosphäre, die kaum Druck zulässt. Auch die unterstützende Rolle der Lehrkräfte, die nicht von oben herab agierten, sondern als mehr als Lernbegleiter*innen wirken, die mit den Kindern „an einem Strang ziehen“, halten wir für förderlich und pädagogisch sinnvoll. Schön war es außerdem, von den Schüler*innen selbst zu hören, dass ihnen das Lernen größtenteils Spaß mache, auch weil es sehr interaktiv und ihren Bedürfnissen angepasst ist.
Deshalb finden wir, dass das Konzept, der Willy-Brandt-Gesamtschule ein großartiges Projekt ist und hoffen, dass die politischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass die Förderung hier noch individueller möglich ist und das Potenzial aller Kinder bestmöglich zum Tragen kommt. Umso beauerlicher ist es, dass diese Form der Pädagogik bayernweit die Ausnahme ist und der Großteil der Schüler*innen nicht die Chance zum selbstbestimmten Lernen hat.
Deshalb wird sich die GRÜNE JUGEND weiterhin für ein gerechteres, individuelles Förderungs- und Bildungssystem einsetzen.
Zudem möchten wir uns natürlich ganz herzlich bei Cornelia Folger bedanken, dass sie uns diesen umfassenden und einmaligen Einblick in das Konzept ihrer Schule ermöglicht hat.
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