Delegationsreise nach Taiwan
Auf Einladung der taiwanische Regierung reiste eine zehnköpfige Delegation der GRÜNEN JUGEND Anfang April 2013 für eine Woche nach Taipeh, Taiwan. Die quotierte Delegation setzte sich aus vier Mitgliedern des Landesvorstands der GRÜNEN JUGEND Bayern, vier Vorstandsmitgliedern der GÜNEN JUGEND München und zwei Basismitgliedern zusammen. Unser herzlicher Dank für die Einladung gilt der taiwanesischen Regierung, im speziellen dem Generaldirektor der taiwanesischen Vertretung in München Karl C.Y. Cheng und unserer Reisebegleiterin Shu-chi Yu.
Sonntag & Montag, 7./.8. April 2013
Am Sonntagvormittag traf sich die gesamte Delegation mit der Reisebegleiterin Frau Yu am Frankfurter Flughafen. Die Zeit vor dem Flug nutzte Frau Yu, die in Taipeh geboren und aufgewachsen war, um die Reiseteilnehmer_innen, die alle zum ersten Mal in Taiwan sein würden, über das Land und die Einzelheiten des Programms zu informieren.
Nach einem langen Flug kamen wir schließlich um 6 Uhr morgens in Taiwan an. Am Flughafen erwartete uns ein Bus, der die ganze Woche über unser Transportmittel sein sollte und uns vom außerhalb der Stadt liegenden Flughafen ins Howard Plaza Hotel brachte, unserer Unterkunft für die gesamte Woche.
Schon am Ankunftstag begann das Programm. Nach kurzer Erholung im Hotel ging es am Nachmittag ins Außenministerium. Dort erhielten wir im Rahmen eines kurzen Films eine Art Briefing über die allgemeine wirtschaftliche und politische Situation Taiwans sowie kulturelle, ökologische und geschichtliche Besonderheiten des Landes. Danach führte uns Frau Yu durch die Hauptstadt Taipeh. Zunächst besichtigten wir eine historische Tempelanlage inmitten der Stadt. Der Mengjia Longshan-Tempel wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gebaut und ist immer noch eine wichtiger Ort für gläubige Buddhistinnen und Buddhisten (93 % der taiwanischen Bevölkerung stehen dem Buddhistischen Glauben nahe), in dem mehrere verschiedene Gottheiten verehrt und angebetet werden.
Nach dem Besuch des Tempels schlenderten wir durch kleine Gassen und Straßenmärkte. An historischen Gebäuden oder Denkmälern führte Frau Yu den historischen Kontext aus und nahm dabei immer wieder Bezug auf die Besiedlung Taiwans, die Besetzung durch Japan (1894/95 – 1945) und dem Verhältnis zur Volksrepublik China, das vor allem in der Zeit kurz nach dem zweiten Weltkrieg von Unruhen geprägt war. Zwischendurch probierten wir frischen, an den Straßenständen angebotenen Tee und ließen uns von Frau Yu durch den traditionellen Heil- und Teekräutermarkt führen.
Die Delegation hatte sich entschieden die gesamte Woche vegetarisch zu essen und so durften wir uns im Abend über ein üppiges vegetarisches Essen mit diversen taiwaneischen Spezialitäten freuen. Unten den unzähligen Gängen waren verschiedenste Früchte, Reisgerichte, Suppe, gebratene Pilze, Tofu und vieles mehr. Die vielen Eindrücke des Tages waren überwältigend und so fielen wir am Abend alle schnell ins Bett.
Dienstag, 9. April 2013
Am nächsten Tag ging es früh los mit einem Treffen mit Vertreter_innen der Regierungspartei Kuomintang (Chinesische Nationalpartei), kurz KMT, die bis 1987 Taiwan als Einparteien Staat regierte. Durch die Demokratisierung kam die KMT nach den Wahlen 2008 aber demokratisch legitimiert an die Regierungsmacht.
Die Vertreter der KMT berichteten uns relativ ausführlich über die politische Lage Taiwans, vor allem in Bezug auf das Verhältnis zu China, den Umbrüchen in der taiwanesischen Gesellschaft und einen möglichen Atomausstieg. Die konservative KMT trägt den Atomausstieg mit. Allerdings ist sie in den Zielen lange nicht so progressiv wie die Oppositionspartei oder gar die grüne Partei. Die KMT setzte vor allem auf die Wettbewerbsfähigkeit und politische Stabilität das Landes, erklärte man uns. Auch wir als Delegation berichteten kurz über innerdeutsche politische Themen wie beispielsweise die Gleichstellung der Ehe mit gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und natürlich – passend zur aktuellen Energiedebatte in Taiwan – auch über den Atomausstieg in Deutschland.
Anschließend besichtigten wir das Parlamentsgebäude. Als Einführung bekamen wir dort einen Film zu sehen, der das demokratische System Taiwans, vor allem hinsichtlich des Wahlsystem und des Gesetzgebungsverfahren, erklärte. Danach durften wir dann überraschenderweise im Zuschauerbereich des Plenarraums Platz nehmen und die aktuelle Debatte des Parlaments verfolgen. Auffallend war, dass der Raum verglichen mit dem Plenarsaal des Bundestages wirklich klein war. Ähnlich war allerdings die Raumaufteilung, denn die Regierungsmitglieder sitzen, wie auch im Bundestag den Abgeordneten gegenüber, links und rechts neben dem Präsidium. Allerdings gibt es kein mittiges Redner_innenpult, sondern zwei, sodass sich meistens mindestens zwei Rednerinnen gegenüber stehen.
Der_die Abgeordnete, der_die das Wort hatte, spricht in Richtung des gegenüberliegenden Pultes, an dem Abgeordnete, die eine Gegenmeinung vertreten, stehen. Die Debatte glich also eher einem Dialog in Form eines Streitgesprächs mit festen Redezeiten, bei dem natürlich leider niemand ein Wort verstand.
Auf Einladung des Deutschen Instituts, trafen wir uns mit dem stellvertretenden Direktor Mirko Kruppa zum Mittagessen in einem Restaurant. Dort ging es um ein Thema, das uns die gesamte Reise begleitete: der (Nicht-)Anerkennung des Landes Taiwan.
Da Taiwan von Deutschland wie von den meisten Staaten nicht als eigenes Land, sondern als Teil von Festland-China angesehen wird, gibt es keinen botschaftliche Vertretung. Die diplomatischen Aufgaben weden daher vom deutschen Institut übernommen.
Er gab uns vor allem die Möglichkeit, Fragen zu stellen und gab darüber hinaus einige persönliche Einschätzungen über das Leben in Taiwan, das kulturelle Angebot und insbesondere über die außenpolitische Situation ab.
Daran schloss sich das Treffen mit dem Jugendamt des Bildungsministeriums an. Dort wurde uns zunächst das Bildungssystem Taiwans präsentiert und auch verschiedene Bildungsprogramme, an denen Schüler_innen und Studierende teilnehmen können. Demnach sind gerade junge Menschen in Taiwan sehr gut ausgebildet. Es gibt keine Studiengebühren und immer mehr Hochschulabsolvent_innen. Allerdings sind nichtakademischen Berufsfelder eher unbeliebt. Daher versucht das Ministerium Anreize zu schaffen, die nichtakademische Berufe für junge Leute wieder attraktiver zu gestalten. Ansonsten wurde immer wieder betont, dass sich die Bildungspolitik auch auf die globale Vernetzung ausgerichtet ist und beispielsweise der Erwerb von Sprachkenntnissen und der Austausch mit anderen Staaten, gerade für Jugendliche, stark gefördert wird.
Nachdem wir dann über die bayerische Bildungspolitik berichtet hatten und die Grundausrichtung der bildungspolitischen Beschlusslage der GRÜNEN JUGEND vorgestellt hatten, besichtigten wir noch eine Gedenkstätte.
Mittwoch, 10. April 2013
An diesem Tag hatten wir tagsüber ausnahmsweise keinen politischen Termin. Morgens ging es schon sehr früh nach Hualien, wo wir den Taroko Nationalpark besuchten.
Der Aufenthalt in dem Naturschutzgebiet bot eine willkommene Abwechslung zum straffen politischen Programm der übrigen Reisetage. Taroko in Hualien liegt an der Pazifikküste im Nordosten Taiwans und ist der älteste der acht taiwanischen Nationalparks. Gemeinsam mit einem Guide und unserer Reisebegleiterin wanderten wir durch die Hügellandschaft und Schluchten des Parks. Zudem besichtigten wir den Liwu-Fluss, der durch den Park fließt und machten dann eine Pause am Strand des Pazifiks.
Abends, als wir zurück in der Stadt waren, trafen wir uns mit zwei Vertreter_innen der Grünen Partei Taiwans. Sie waren mit Ende 20 mit Abstand die jüngsten Politiker_innen, die wir bisher getroffen hatten. Wahrend dem Treffen im Restaurant erfuhren wir zunächst dass die „Green Party Taiwan“ schon seit 1996 existiert und auch Mitglied der Global Greens ist. Die Hautthemen der Partei sind Menschenrechte und der Atomausstieg. Bei den letzten Parlamentswahlen holte die Partei 1,7 % und konnte aufgrund der 5%-Hürde nicht ins Parlament einziehen. Außerdem sprachen wir noch über politisches Engagement bei Jugendlichen. Laut den beiden ist politisches Engagement bzw. Interesse bei jüngeren Leuten nicht verbreitet. In Taiwan gibt es auch starke Hürden bei der Aufstellung von Kandidierenden, so wurde uns erklärt, dass zum Beispiel für jede Kandidatur ein nicht unerheblicher Betrag an den Staat gezahlt werden muss.
Nach dem gemeinsamen Essen schlugen die beiden vor, mit uns zu einem sozial schwachen Stadtviertel zu fahren. Spontan fuhren wir los und waren das erste Mal nicht mit dem Bus, sondern mit der öffentlichen U-Bahn unterwegs.
Vor Ort trafen wir einige Hausbesetzer_innen in einem kleinen Bungalow an einer Seitenstraße. Es waren ca. 30 Leute. Die meisten von ihnen waren in etwa in unserem Alter. Aber es waren auch Kinder und alte Menschen unter ihnen. Zunächst wurden wir kritisch beäugt und sehr zaghaft begrüßt. Nachdem wir von unseren Begleiter*innen von der Green Party Taiwan vorgestellt wurden, zeigten uns 5 Jugendliche das Viertel und klärten uns über die politische Situation und ihren Protest auf.
Es handelte sich hier um ehemalige Sozialwohnungen von den Familien der füheren Chiang-Kai-shek-Soldaten, die nach dem Bürgerkrieg in den 1950er Jahren vom Staat mit Wohnungen versorgt wurde und um die nun ein Streit entbrannt war.
Nach diesem Abend fühlte es sich merkwürdig an, in das Hotel zurück zu kehren. Durch die Begegnung mit Armut und sozialen Problemen war die Schere zwischen Arm und Reich für uns das erste Mal so richtig spürbar.
Donnerstag, 11. April 2013
Der Tag begann mit einem Treffen mit weiteren Mitgliedern der Green Party Taiwan in deren Büro. Dort tauschten wir uns vor allem über Organisationsstrukturen, Pressearbeit, Einbindung von Mitgliedern, Wahlkampferfahrungen etc aus. Natürlich sprachen wir auch über die Geschichte von Bündnis 90/ DIE GRÜNEN in Verbindung mit der deutschen Atompolitik bzw. dem Atomausstieg.
Mittags waren wir dann auf Einladung des Generaldirektor des Außenministeriums gemeinsam mit 4 anderen Experten für außenpolitische Beziehungen zur Bundesrepublik zum Essen verabredet.
Durch sie erfuhren wir beispielsweise, dass einige taiwanesischen Jura-Student_innen Auslandssemester in der BRD machen oder dort studieren, weil das taiwanische Rechtssystem dem deutschen in seiner Logik und im Aufbau sehr ähnlich ist.
Der Generaldirektor berichtete uns von seiner Arbeit und seinen Aufgaben, den taiwanischen Auslandsbeziehungen und seinen persönlichen Erfahrungen im Ausland.
Nach dem Mittagessen ging es zum Nationalen Palastmuseum. Ein Guide führte uns die weltweit größte Sammlung chinsesischer Kunstwerke aus 5000 Jahren Geschichte, von denen die meisten aus der kaiserlichen Sammlung stammen.
Freitag, 12. April 2013
An unserem letzten Reisetag trafen wir uns morgens mit der „Stiftung zum Austausch über die Taiwanstraße“. Die Stiftung ist eine staatliche Einrichtung, die für die Beziehungen zu Festland-China zuständig. Uns wurde berichtet, dass sich diese dank der intensiven Bemühungen in den letzten Jahren stark verbesser hatte, nachdem sie im Jahre 19955 einen deutlichen Tiefpunkt erlangt hatten. Grund für die schwierigen Beziehungen, dem sogenannten Taiwan-Konflikt, sind die territorialen Ansprüche bzw. die Forderung nach Eigenständigkeit von Taiwan, die seit Beendigung des chinesichen Bürgerkriegs 1950 immer wieder aufflammen. Nach der interessanten Debatte, bei der von taiwanesischer Seite ins besondere wegen der verschiedenen gesellschaftlicher Systeme, immer wieder parallelen zum Mauerbau in Deutschland gezogen wurden (sic), besichtigten wir Taiwans größtes Gebäude: den Taipei 101. Der Wolkenkratzer ist mit einer Höhe von 508 Metern das vierthöchste Gebäude der Welt. Innerhalb des Turms befinden sich vor allem Einkaufsmöglichkeiten, insbesondere Luxusartikel, und Büroräume. Ganz oben befindet sich eine Aussichtsplattform, von der wir in alle Himmelsrichtungen einen Blick über die Statt werfen konnten. In den unteren Ebenen befinden sich zahlreiche Restaurants. Nach dem Besuch der Plattform aßen wir im Restaurant „Din Tai Fung“, das für seine handgefertigten, gefüllten Teigtaschen – einer taiwanesichen Spezialität – berühmt ist.
Danach folgte dann der letzte Termin unserer Reise: das Treffen mit der größten Oppositionspartei, der Demokratischen, Fortschrittlichen Partei (DDP). Sie ist der größte Gegenpart zur KMT, der Regierungspartei – um diese beiden Parteien drehen sich die 2 Blöcke der taiwanesischen Parteienlandschaft.
Nach diesem Treffen ging es noch am selben Abend zurück nach Deutschland, wo wir wohlbehalten landeten.
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